Ein Startup zu gründen ist in der heutigen Zeit ziemlich cool. In weiten Teilen der Medien gehen Startup-Gründer als hippe Typen durch.
Auch wenn das nun wirklich nicht der entscheidende Grund für Dich sein sollte, propagiere ich persönlich natürlich das Gründen.
Das Finden von Geschäftsideen, das Testen, das Weiterentwickeln, das Lernen, all das macht richtig Spaß. Und es bringt einen auch persönlich weiter.
In diese Tiefe zu all diesen Themen geht´s im Geschäftsmodell-Fahrplan.
Dennoch sage ich: Bist Du als Solopreneur unterwegs, dann solltest Du KEIN Startup gründen!
Oder besser: Kein Startup gründen im klassischen Sinne.
Worum es mir bei der Sache geht, ist eine entscheidende Differenzierung:
Gründe ein Business, baue ein Unternehmen auf, oder wie immer Du es nennen willst. Aber gründe als jemand, der unternehmerisch allein an der Ruderpinne sitzt, und das muss kein Startup im klassischen Sinne sein.
Ein Widerspruch ins sich? Okay, ich versuche mal, konkreter zu werden:
Startups und Startup-Spirit
Das Bequeme an der Bezeichnung “Startup” ist der Fokus auf die Startphase. Als Startup bist Du quasi permanent in der Startphase, bis Du Dich nicht mehr als solches titulierst. Und das kann dauern.
Was daran so bequem ist?
In dieser Startphase sind die Erwartungen an Umsätze und Gewinne gering bis non-existent. Lieber spricht man über das Geschäftsmodell, über Perspektiven, den Markt und all das, was einen selbst und andere sonst noch so am Startup-Spirit fasziniert. An Startups werden schlicht andere Maßstäbe als an “normale” Unternehmen gelegt.
Das nimmt Druck aus der Sache, was von daher einerseits positiv ist, aber andererseits nimmt es Dich als Gründer auch aus der Verantwortung, für eben jene Umsätze zu sorgen, die Dich und Dein Business über Wasser halten.
Und als Solopreneur, der sich ohne Eigenkapital selbstständig macht, brauchst Du recht zügig Umsätze und ein wirklich funktionierendes Unternehmenskonstrukt.
Lass´ Dich also nicht einlullen vom schönen Schein des Startup-Spirits, sondern sieh das, was Du machst, als das, was es wirklich ist: Ein Unternehmen.
Startups und Businesspläne
Neben dem Team (das Du als Solopreneur erstmal nicht hast) ist für Startups das allerwichtigste ein ausgefeilter Businessplan.
Willst Du ein klassisches Startup gründen, bestehen Businesspläne oft zu einem Großteil aus schönen Texten für die Zielgruppe der potenziellen Investoren, gepaart mit reichlich Kaffeesatzleserei aus nebulösen Zahlen, die aber selbstverständlich als sichere Planungsgrundlagen verkauft werden.
Gegoogelte Marktanalysen und wilde Excel-Kalkulationen für mehrjährige Forecats garnieren das Ganze, um eine scheinbar solide Planungssicherheit zu suggerieren.
Die Wahrheit ist: Gar nichts ist sicher, und schon gar nicht beim Aufbau eines neuen Business´.
Das Erstellen eines Businessplans ist wie ein Ratespiel oder Wahrsagerei. Letztlich ist die Welt um ein Unternehmen derart komplex, dass es viel zu viele Faktoren gibt, die einfach unkalkulierbar sind. Und auch noch so viele Vermutungen als Planungsgrundlage sind unterm Strich immer noch eines: Vermutungen.
Die wirklich relevanten Informationen bekommst Du nach meiner Erfahrung nicht beim Schreiben eines Businessplans vor dem Gründen des Startups, sondern während Du tatsächlich im Markt präsent bist.
Startup gründen und an Exit denken
Wenn Du in die Welt der Startups eintauchst, hörst Du häufig das Wort “Exit” oder “Exit-Strategie”. Gemeint ist eine Art Plan, wie man denn gedenkt, sein schönes Startup irgendwann mal zu verkaufen und selbst auszusteigen.
Ist das nicht absurd? Du bist noch nicht einmal richtig gestartet, hast vielleicht keinen einzigen zahlenden Kunden, aber sollst Dich schon mit der Frage beschäftigen, wie Du wieder aussteigen willst.
Mal ganz abgesehen davon, dass die Antwort auf diese Frage noch viel hypothetischer sein muss, als das Aufstellen eines Businessplans, birgt sie zudem eine unterschwellige Gefahr:
Wenn ich immer nur daran denke, wie ich wieder aussteige, wie ich mein Projekt wieder loswerde, dann frage ich mich doch, ob ich genug Motivation aufbringen kann und Leidenschaft habe, das Ganze überhaupt erstmal richtig zum Laufen zu bringen.
Klar kann es in vielen Fällen sinnvoll sein, sein Unternehmen zu verkaufen oder in einer anderen Organisation aufgehen zu lassen. Nur kann die Beschäftigung damit doch erst wirklich realistisch werden, wenn das Unternehmen selbst dazu auch in der Lage ist.
Startups und Medien
Startups sind zwar auch Unternehmen, nur sind sie eine besondere Spezies. Startups haben so etwas leichtes, etwas, das sie förmlich vom sonstigen Wirtschaftsleben abheben lässt. So wird auch häufig davon gesprochen, dass ein Startup ins “Fliegen” kommt.
Und die Startups, von denen in den Medien die Rede ist, sind in der Regel auch am Fliegen. Ich möchte sie mal in drei Gruppen einteilen:
- Gruppe 1: Startups, die sich gerade Finanzspritzen verpassen lassen. Aktuell wären das beispielsweise Westwing, Outfittery und viele andere.
- Gruppe 2: Startups, die andere Startups übernehmen oder selbst von anderen übernommen werden. Bei den Liefervermittlern um Delivery Hero und Co. tut sich hier zum Beispiel einiges.
- Gruppe 3: Startups, die schon richtig durch die Decke gegangen sind und erfolgreich im Markt agieren. Im deutschsprachigen Bereich gehören Läden wie BigPoint, Jimdo oder Xing dazu, international werden auch gern Beispiele wie Facebook, Amazon oder Ebay ins Feld geführt.
Was beim Anblick dieser Szenerie schnell vergessen wird: Die drei Gruppen stellen lediglich die Spitze eines Eisberges dar.
Denn zusätzlich gibt es natürlich noch zig tausende Startups, die überhaupt erstmal in die Gruppe 1 kommen wollen, indem sie um Finanziers buhlen. Wirtschaftlich erfolgreich ist demnach nur ein extrem geringer Anteil der klassischen Startups. Und dazu gehört in der Regel noch nicht einmal Gruppe 1.
Startups und Wirtschaftlichkeit
Beim Gros der Startup-Gründungen geht es um die Akquise von Kapital.
Hier wird die Manpower zu einem großen Teil reingesteckt, während so scheinbar profane Themen wie Rentabilität oder funktionierende Prozesse und Strukturen eher im Hintergrund rangieren. Ist ja auch nicht so richtig sexy.
Man will das Geld anderer Leute bekommen und es ausgegeben. Yeah! Die wirtschaftlichen Gesetze und Notwendigkeiten, mit denen sich herkömmliche Unternehmen rumschlagen müssen, gelten scheinbar nicht.
Kunden gewinnen? Deckungsbeiträge erwirtschaften? Egal! Startups neigen dazu, diese Realität zu verdrängen oder einfach in die Zukunft zu schieben, siehe oben.
Die Vorstellung eines Startups, abgekoppelt von der wirtschaftlichen Realität, kann auf die Dauer gefährlich werden, und geht statistisch auch meist ins Auge.
Denn die überwältigende Mehrheit aller Startup-Gründungen scheitert.
Das Scheitern an sich ist auch vollkommen okay, es darf meiner Ansicht nach nicht als Makel gelten. Nur sollte die Tatsache, dass man sehr wahrscheinlich mit einem Startup Schiffbruch erleidet, auch klar gesehen werden.
Startup gründen für mehr Unabhängigkeit
Als Verfechter des Bootstrapping-Ansatzes, bei dem es gilt, ein Startup zu gründen ohne externes Kapital, liegt es natürlich auf der Hand, dass ich Fremdfinanzierungen nicht unbedingt als den ersten Weg ansehe. Auch wenn solche Finanzierungen für ganz bestimmte Vorhaben unumgänglich sind, bin ich überzeugt, dass immer mehr Geschäftsmodelle heute (gerade im Online- und Dienstleistungsmarkt) ohne Investor aufzubauen sind.
Und einer der großen Vorteile dabei heißt Unabhängigkeit. Startups, die unter dem Schirm von Venture-Capital-Gesellschaften oder anderen Investoren arbeiten, büßen zwangsläufig von Anfang an einen Teil ihrer Unabhängigkeit ein.
Und diese Unabhängigkeit kann im Zeitablauf auch noch weiter schrumpfen. Werden Meilensteine des Businessplans verfehlt, kann die Entscheidungsfreiheit schnell eingeschränkt werden, beispielsweise weil neue Finanzspritzen nötig werden, die die eigenen Unternehmensanteile prozentual schrumpfen lassen.
Ganz zu schweigen von der Mehrheit der Startups, die weder Investoren noch Kunden haben. Hier hört die Unabhängigkeit genau dann auf, wenn schlicht das eigene Kapital aufgefressen ist.
Fazit: Bau´ Dir als Solopreneur ein vollwertiges Unternehmen!
Ein klassisches Startup gründen, auf dieser Schiene bin ich selbst zu Beginn der Aufbau-Phase von MeinSpiel auch eine zeitlang gefahren. Von daher sind mir die Verlockungen durchaus bewusst.
Letztlich kann ich aber für mich persönlich sagen, dass eine solche Art von Unternehmen zumindest für mich nicht das Richtige ist.
Mir macht es mehr Spaß, etwas aufzubauen, dass in absehbarer Zeit auch wirklich wirtschaftlich funktioniert. Und unabhängig von meiner persönlichen Einstellung dazu, ist das Modell für einen Solopreneur relativ ungeeignet.
Reale Unternehmen, beziehungsweise praktizierende Selbständige oder Solopreneure beschäftigen sich mit realen Strukturen und Prozessen, die ineinandergreifen und funktionieren müssen, nicht mit Businessplänen.
Sie gehen direkt in den Markt, testen Marketingansätze und improvisieren ihr Unternehmenskonstrukt auf Basis der tatsächlich erlebten Erkenntnisse im Markt.
Sie beschäftigen sich mit Liquidität und Gewinn, nicht mit hypothetischen Excel-Charts. Und sie definieren Erfolg über das Gewinnen von echten Kunden anstatt von Kapitalgebern.
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